Kiel, Freitag, 4. September 1998
Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort!
Wolfgang Kubicki: "Nichts Neues im rot-grünen Neidbericht"
In seiner Rede zu TOP 29 (Reichtumsbericht) sagte der finanzpolitische Sprecher der F.D.P.-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
"Nach der irrlichternden Diskussion vom Februar ist die F.D.P.-Fraktion
sehr gespannt, ob die Thesen der rot- grünen Neidexperten ihren Niederschlag
im Bericht gefunden haben.
Ist Reichtum tatsächlich männlich; Frau Heinold? Ich würde
sagen, ja, denn es heißt ja 'der' Reichtum?
Wird es gelingen, mit einer steuerpolitischen Rasterfahndung den Schleier
über den wahren Verhältnissen im Lande zu zerreißen? Kommissar
Neugebauer, übernehmen Sie.
Aber jetzt im Ernst. Mit der Debatte um den Berichtsantrag hätte
man es bewenden lassen sollen. Rote und Grüne hatten die gewünschte
therapeutische Sitzung, auf der sie ihren Sozialneid ausleben konnten.
Ich sage es nicht gerne und auch nicht oft, da ich das parlamentarische
Fragerecht für sehr wichtig halte, aber es gibt wirklich Berichtsanträge,
die man sich besser sparen sollte, ja eigentlich müßte.
Der Kollege Neugebauer hat bei der Einbringung des Antrags davon gesprochen,
daß wir Gelegenheit bekommen, "steuerpolitische und wirtschaftspolitische
Fehlentscheidungen der letzten Jahre zu korrigieren".
Wunderbar. Die Erneuerung der deutschen Steuer- und Wirtschaftspolitik
nimmt ihren Ursprung unter der Rendsburger Hochbrücke.
So führen wir heute zum zweiten Mal eine Gespensterdebatte, denn
geändert hat sich gegenüber Februar nicht viel.
Ein Teil der Zahlen war auch ohne den Bericht verfügbar und zu
den wenigen Fakten, die noch zu ermitteln waren, bemerkt der Bericht auf
Seite 2 lapidar.
"Eine 'Bewertung' der Gesetze, der Rechtsprechung oder der Verwaltungsregelungen
in Bezug auf ihre direkten steuerlichen Auswirkungen ist aus tatsächlichen
Gründen nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang möglich."
Damit sind allenfalls Tendenzaussagen möglich und alle sind so
schlau als wie zuvor.
Das gilt auch für die beiden Antragsteller, die nach einer ersten Durchsicht des Berichts ihre wahrhaft revolutionären Erkenntnisse in einer Presseerklärung verbreiteten:
Das Steuerrecht ist komplizierter und undurchschaubarer geworden.
Bezieher hoher Einkommen haben die Möglichkeit, ihre Steuerbelastung
zu senken.
Und abschließend fordern sie ein einfaches und solides Steuersystem
und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Ohne den Bericht der Landesregierung wäre natürlich niemand auf diese Idee gekommen.
Seltsam ist allerdings, daß Sozialdemokraten und Grüne in
Schleswig-Holstein eine Steuerreform fordern, die von der eigenen Landesregierung
im Bonner Bundesrat blockiert wird.
Was anderes als die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger
Verringerung der Abzugsmöglichkeiten sehen denn die Petersberger Beschlüsse
der Koalition vor?
Sie kennen die Antwort.
Die Sozialdemokraten haben übrigens bis zu dem Augenblick, in
dem ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine die Steuerreform als Blockadeinstrument
gegen die Politik der Bundesregierung entdeckte, die Grundlinie der Reform
mitgetragen.
Und nach der Wahl wird es eine Reform genau nach diesem Muster geben,
da dann die Blockadepolitik der rot-grünen Landesregierungen gegen
den erneut eingebrachten Petersberger Entwurf zusammenbrechen wird.
Ich weiß, daß es Ihnen Freude macht, der F.D.P. vorzuwerfen,
ihre Steuerpolitik ziele nur darauf ab, die Besserverdienenden zu entlasten.
Aber mir ist es lieber, 35% Spitzensteuersatz werden tatsächlich
bezahlt, als daß auf dem Papier Steuersätze von 50% stehen,
die in der Realität in eine Steuerzahlung von Null münden.
Und mir ist es auch lieber, wenn international agierende Unternehmen
in Deutschland investieren und 35 % Spitzensteuersatz bezahlen, als wenn
sie 50% von nichts bezahlen, da sie die Investition im europäischen
Ausland getätigt haben.
Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß Kapital weder nach Deutschland
fließt, weil sie hier unnötige Berichte anfordern, noch weil
sie so gute Menschen sind.
Kapital geht dorthin, wo es eine ausreichende Rendite findet, auch
ohne Zustimmung der rot-grünen Koalition.
Wenn ich Sie höre, gewinne ich immer mehr den Eindruck, daß
Sie noch nie etwas von einem Europa des freien Kapitalverkehrs und der
globalisierten Finanzmärkte gehört haben.
Besonders beeindruckt hat die F.D.P.-Fraktion die erneute Forderung
nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Meiner Erinnerung nach hat sich auch bei führenden Sozialdemokraten
inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, daß Substanzsteuern volkswirtschaftlich
schädlich sind. Bei der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer hat ihnen
die Argumentation doch auch eingeleuchtet. Es ist doch nicht so schwer
zu verstehen, daß ein hohes Vermögen nichts über das daraus
zu erzielende Einkommen aussagt.
Mir ist natürlich klar, daß ein anständiger Sozialdemokrat
glücklich darüber ist, das Vermögen schrittweise wegzusteuern.
Das hat nur mit einer sinnvollen Wirtschaftspolitik nichts zu tun.
Man kann auch unter Sozialdemokraten ein kleines Vermögen erhalten - wenn man vorher ein großes hatte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der bereits zitierten Presseerklärung
von Lady Marion und Robin Hood findet sich auch die Feststellung, die Zahl
der Einkommensmillionäre habe sich zwischen 1988 und 1994 mehr als
verdoppelt. Allein die inflationäre Entwicklung sorgt dafür,
daß die Zahl der Millionäre zunimmt, ohne daß diese in
Relation zu früheren Zeiten auch nur eine Mark mehr verdienen, da
neben dem Einkommen natürlich auch die Kosten gestiegen sind.
Die beiden sozialen Kämpfer verschweigen uns aber auch, daß
die Zahl im Jahr 1995 drastisch zurückging auf einen Wert, der nur
um 21 % über dem von 1988 liegt.
Der Bericht, auch das verschweigen uns die geneigten Autoren, kann
nur Mutmaßungen über die Gründe anstellen.
Zudem ist mir bis heute nicht klargeworden, was die Zahl der Einkommens-millionäre
über den sozialen Zustand des Landes aussagen soll. Der Anteil an
sämtlichen Steuerpflichtigen in den Jahren von 1988 bis 1995 ist mit
0,7 Promille!! bis zu 0,14% so gering, daß er vielleicht für
Neidkampagnen reicht, aber nicht als Menetekel für den Zusammenbruch
des Sozialstaates in Deutschland.
Noch unergiebiger ist die Antwort der Landesregierung auf die Frage
nach der Entwicklung der Zahl der Vermögensmillionäre.
Ihr relativer Anteil an allen vermögenssteuerlich geführten
Steuerpflichtigen hat sich sogar minimal verringert, von 9,74 % im Jahr
1989 auf 9,71% 1995.
Pech gehabt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Armutsbericht haben wir heute
einen Reichtumsbericht in diesem Haus debattiert. Ich hoffe, daß
wir jetzt nicht auch noch einen Bericht über untere mittlere Einkommen
und untere hohe Einkommen bekommen.
Lassen Sie uns doch auf solche Showanträge einfach verzichten.
Wir alle wissen um die sozialen Probleme in unserem Land, dazu braucht
es keinen Bericht. Und wir alle wissen, was zur Verbesserung der Situation
nötig ist: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und nocheinmal Arbeitsplätze.
Die schaffen Sie aber weder mit Rezepten aus der sozialdemokratischen
Mottenkiste noch mit dem Schüren von Sozialneid. Und schon gar nicht
mit dem Abfeiern von unnötigen Berichten."